So kann Büroarbeit krank machen

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Ein Tisch, ein Stuhl und ein Computer. An solchen Arbeitsplätzen verbringen in Deutschland rund 16 Millionen Menschen ihren Büroalltag. Die meisten bewegen sich, wenn überhaupt, in einem Radius von zehn Quadratmetern – zwischen Rollcontainer und Drucker. Kein Wunder, dass laut einer diesjährigen Studie der Aponet Versandapotheke Muskel-Skelett-Erkrankungen die häufigsten Ursachen für Fehltage sind. Mit 22 Prozent liegen Rückenschmerzen und Maus-Arm noch vor Erkältungen.

„Dabei könnte man mit etwas mehr Bewegung viele Beschwerden eindämmen“, sagt Dr. Dirk Lümkemann von der Hamburger Gesundheitsberatungsfirma Padoc. Der Sportmediziner schult Mitarbeiter und Führungskräfte in Sachen Bewegung und richtiges Sitzen. Oft haben schon kleine Veränderungen große Effekte. Wesentlich schwieriger ist es, psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken.

13 Prozent der Fehltage von Frauen gehen auf Ängste und Depressionen zurück. Schuld sind meist die Arbeitsbedingungen. In einer Befragung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales finden 22 Prozent ihren Job derart belastend, dass sie ihn „so nicht bis zur Rente durchhalten können“. Doch Arbeitsbedingungen können auch verbessert werden – von jedem Einzelnen.




Arbeitsplatz

Nichts hält so lange wie Provisorien. Oft setzt man sich einfach auf den Stuhl seines Vorgängers und fängt an zu arbeiten. „Sind aber Höhe, Lehne und Sitzfläche nicht optimal auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt, bringt der teuerste Bürostuhl nichts“, sagt Architekturpsychologe Peter Richter aus Dresden. Für das Arbeiten am Bildschirm gilt: 50 bis 60 Zentimeter Abstand einhalten. Der Monitor sollte nicht auf Augenhöhe, sondern etwas tiefer stehen, sodass man mit einem leicht gesenkten Blick (15–35 Grad) draufschauen kann. Blendeffekte lassen sich durch Tageslichtlampen vermeiden und wenn der Bildschirm im 90-Grad-Winkel zum Fenster steht. Brennen Ihre Augen trotzdem, versuchen Sie, Bildschirm, Schreibtisch oder Beleuchtung umzustellen. Wer sich in Großraumbüros unwohl fühlt, weil Ruhe und Privatsphäre fehlen, dem können kleine Veränderungen helfen: zum Beispiel Tische versetzt anordnen statt gegenüber. Auch Raumteiler wirken Wunder – ein kleiner Sichtschutz erhöht erwiesenermaßen die Konzentrationsfähigkeit.




Bewegung

Die Japaner machen es richtig – sie stehen in Meetings. Schon solche kleinen Maßnahmen bringen eine Menge zur Vorbeugung von typischen Bürobeschwerden wie Rückenproblemen und verspanntem Nacken. Wir sitzen einfach zu viel und sollten deshalb jede Möglichkeit zum Haltungswechsel und zur Bewegung nutzen. Gegen einen Maus-Arm, unter dem inzwischen fünf Millionen Deutsche leiden, hilft es, beim Telefonieren oder Postlesen aufzustehen und die Hände kreisen zu lassen.

Statt mit den Kollegen per Mail zu kommunizieren, sollten Sie besser aufstehen und ins Nachbarbüro gehen. Parken Sie das Auto morgens absichtlich weiter weg. Und nach dem Mittagessen können Sie eine Runde um den Block drehen. Ideal wäre, nur die Hälfte der Arbeitszeit im Sitzen, den Rest im Stehen oder Gehen zu verbringen. Aber auch im Sitzen kann man für Bewegung sorgen: Rutschen Sie auf der Sitzfläche herum, verlagern Sie Ihr Gewicht mal auf die rechte, mal auf die linke Po-Hälfte, lehnen Sie sich zurück. „Die Zeiten, in denen aufrechtes Sitzen als das Nonplusultra galt, sind vorbei“, sagt Gesundheitscoach Dirk Lümkemann.

„Aktives Nichtsmachen ist die Devise.“ Denn jede noch so kleine Bewegung ist gut für die Bandscheiben. Sinnvoll sind auch sogenannte isometrische Übungen: unsichtbare Mini- Bewegungen, bei denen die Muskeln angespannt werden. Die Spannung wird kurz gehalten und der ganze Körper so aktiviert – das geht auch vor dem Computer.

Ernährung

1900 Kalorien – viel mehr sollten Frauen im Büroalltag nicht zu sich nehmen. Dass es häufig doch mehr werden, liegt meist am unregelmäßigen Essen. Wenn der Blutzuckerspiegel in den Keller sackt, entsteht Heißhunger, der dann schnell durch ein Wurstbrot oder einen Schokoriegel gestillt wird. „Alternativen zu Schokolade sind wichtig“, sagt Katharina Goerg von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. „Zum Beispiel ein Obstkorb statt der üblichen Süßigkeitenschublade.“ Besonders gut funktioniert es, wenn das Obst in appetitlichen Stücken auf dem Tisch steht. „Gehen Sie auch sonst bewusst fürs Büro einkaufen“, sagt Goerg.

Das erfordert etwas Planung, kostet aber unterm Strich nicht mehr Zeit als der Gang zum Bäcker. Und ein fettarmer Joghurt oder ein Knäckebrot mit Frischkäse zwischendurch verhindern nicht nur Heißhungerattacken, sondern auch Leistungstiefs. Wichtig: zum Essen immer eine Pause machen – sonst klopft der kleine Hunger bald wieder an, weil Körper und Geist das Essen nicht bewusst verarbeiten konnten. Gurken, Tomaten oder Wassermelonen enthalten nicht nur Vitamine, sie liefern auch Flüssigkeit. Kaffee dürfen Sie in die 1,5 Liter einrechnen, die man pro Tag mindestens trinken sollte – allerdings nicht mehr als vier Tassen (nicht Becher!) pro Tag.

Psyche

Keine Frage, der Druck am Arbeitsplatz nimmt zu. Wenn der Stress immer größer wird, sollte man den Chef fragen, welche der zehn Aufgaben man zuerst bearbeiten soll. „Damit gibt man dem Vorgesetzten die Verantwortung zurück. Denn er muss die Prioritäten setzen“, sagt Diplompsychologin und Unternehmensberaterin Julia Scharnhorst.

Das gute Betriebsklima ist für 60 Prozent aller Büroarbeiter der wichtigste Wohlfühl-Faktor. Dafür kann man etwas tun. Zum Beispiel gestressten Kollegen Aufgaben abnehmen und Lästern vermeiden, auch wenn es manchmal befreiend wirkt. In Deutschland sind immerhin 1,5 Millionen Menschen von Mobbing betroffen, und zwar vor allem Frauen.

Man muss kein Opfertyp sein, um zur Zielscheibe zu werden. Meist wird gemobbt, wenn der Druck steigt. Damit man den zumindest nach Feierabend loswird, „sollte eigentlich jeder eine Entspannungstechnik beherrschen“, sagt Gesundheitsexpertin Scharnhorst. Egal ob autogenes Training, Yoga oder Qigong – Hauptsache runterkommen.




Kleine Tipps – grosse Wirkung

Einfache Aktionen helfen, den Büroalltag zu verbessern. Vier Beispiele

Arbeitsplatz: Hell wie am Tag

Wer den ganzen Tag auf Zahlen schaut, braucht gutes Licht. Deshalb hat die Hamburger Steuerberaterin Hannelore Holste die Lichtplanerin Cornelia Zolghadri engagiert. Sie hat die Räume ihrer Kanzlei mit Tageslichtlampen ausgestattet, die kaum flackern. So ermüden die Augen nicht so schnell. Außerdem kann man mit diesem Licht die Farben besser erkennen. Holste: „Die Schrift auf den Aktenordnern im Regal ist jetzt sogar vom Schreibtisch aus zu lesen.“ Doch weil das Auge Abwechslung braucht, wurden in zwei Räumen auch warme Lichtquellen eingebaut. „Um einen Arbeitsplatz gut zu beleuchten, sollte man etwa 500 Euro investieren“, so Zolghadri.

Bewegung: Gehen am Mittag

Jeden Mittag gehen die Mitarbeiter des Kölner Bundesamtes für Zivildienst spazieren. Im Rahmen der Aktion „3000 Schritte extra am Tag“ wurden 60 Angestellte mit Schrittzählern ausgerüstet. Seither unternehmen sie Mini-Exkursionen – zu einer Kirche des Stadtteils oder in einen Park. Die Spaziergänger sind begeistert, sie finden die Abwechslung belebend. „Es ist ein guter Ausgleich zur gleichförmigen Verwaltungsarbeit“, sagt der zuständige Personaler Peter Maslowski. Mittlerweile hat sich die Aktion verselbstständigt: Aus 3000 Schritten ist eine Wander-Bewegung geworden. Schrittzähler gibt es in Sportgeschäften zu kaufen,




Ernährung: Obst für jeden

Montags und mittwochs hält der kleine Lieferwagen von BioBob vor der Partneragentur Parship. 85 Kilo Obst werden pro Woche für die 150 Mitarbeiter ausgeladen – rund 500 Gramm pro Person. „Unser Geschäftsführer hatte die Idee, er wollte selbst etwas Vernünftigeres essen als ständig Kekse“, sagt Tanja Ackermann, Countrymanagerin für Deutschland. Seither gibt es täglich frische Äpfel oder Bananen – für längere Meetings wird das Obst sogar klein geschnitten. Niemand vermisst die Schokoriegel. Bei Parship sind im Übrigen auch die Getränke für die Mitarbeiter umsonst: Säfte, Wasser, Kaffee und verschiedene Tees.

Psyche: Problem-Hilfe

Streit mit Kollegen oder eine pflegebedürftige Mutter: Wenn die Mitarbeiter von Kraft Foods ein Problem haben, können sie damit zu Christiane Surres gehen, der betriebseigenen Sozialberaterin. Sie hört zu, versucht zu vermitteln oder unterstützt bei Behördengängen. „Nachdem die Leute bei mir waren, können sie wieder konzentrierter arbeiten, eine Win-win- Situation für Arbeitnehmer und -geber“, sagt Surres. Der Bundesverband Betriebliche Sozialarbeit, www.bbs-ev.de, und das Employee Assistance European Forum, www.eaef.org, vermitteln Sozialberater in Firmen. „Employee Assistance Programme“ bieten Hilfe per Telefon.

Weiterführende Literatur: Quellen und interessante Links